(Bildquelle: Carsten Heinke)

Damit das Gecko auch in Zukunft lacht

Der Smiling Gecko Campus in Kambodscha – ein ganzheitliches Hilfsprojekt zum Urlaub machen.

Von den Folgen seiner Bürgerkriege immer noch gezeichnet und gelähmt, zählt Kambodscha weltweit zu den ärmsten Ländern. Durchschnittlich stehen pro Familie, oft mit vier bis zu sechs Kindern, im Jahr nur 1.500 US-Dollar zur Verfügung. Sehr viele müssen mit deutlich weniger zurechtkommen. Die Not treibt sie zur Prostitution, zu Kinderhandel und -missbrauch.

Mit seinem Musterdorf „Smiling Gecko Campus“ bereitete der Schweizer Künstler Hannes Schmid vielen Notleidenden einen Weg zur Selbsthilfe, der beispielgebend sein könnte. Eckpfeiler des Projekts sind Landwirtschaft, Tourismus, Handwerk. Schul- und Berufsbildung nach internationalen Standards stehen im Mittelpunkt. Inzwischen profitieren davon tausende Familien. Von Deutschland aus wird das Projekt vom Verein DER Touristik Foundation e. V. unterstützt.

Frisch und kühl fühlt sich die Tropenluft unter den Bäumen an. Der Duft von Gras und Blüten mischt sich mit dem des Tees auf dem Balkon. Bunte Schatten kleiner Vögel huschen durch die Zweige, durch die man auch das das Restaurant erkennen kann. Bis zum Frühstück ist noch Zeit, in diesem wunderbaren Augenblick zu schwelgen. Es ist ein Morgen wie aus einem Bilderbuch.

Chefköchin Mariya Un Noun bei der Arbeit. (Bildquelle: Carsten Heinke)

Ort des Geschehens ist das Smiling Gecko Farmhouse, zwei Autostunden von Phnom Penh entfernt. Ein Dutzend Bungalows im Khmer-Stil mit je zwei komfortablen Zimmern, zehn nagelneue Luxussuiten, Wellness, Pool sowie drei Restaurants, in denen Chefköchin Mariya Un Noun für unerwartete Genüsse sorgt. Das in den Slums der Hauptstadt aufgewachsene Naturtalent kocht weltweit mit den Stars der Haute Cuisine und gilt inzwischen selbst als „Stern-Anwärterin“.

Vom Rucksack-Hostel zu einer der prominentesten Hoteladressen

Ihren Anfang nahm die schmucke parkartige Anlage als Rucksack-Hostel mit fünf Hütten. Heute zählt sie zu Kambodschas prominentesten Hoteladressen. Doch ihr Unterschied zu anderen „schönen Resorts“ ist enorm.

Denn das Smiling Gecko Farmhouse gehört einer gemeinnützigen Stiftung und liegt inmitten eines Campus, der unter anderem von Ackerbau und Tierzucht lebt. Als Gast muss man das unbedingt gesehen haben!

So plötzlich, wie er anfing, endete der kurze Tropenschauer. Bauern und Gärtner setzen ihre Arbeit fort. Nun „regnet“ es nur noch von Palmen- und Bananenblättern in die Auffangbecken. Hannes Schmid ist dankbar für das kostenlose frische Nass. „Was wir davon sammeln können, müssen wir nicht aus 180 Meter Tiefe pumpen. Allein die Fischzucht läuft fast nur mit Regenwasser“, sagt der drahtige Mann im schwarzen Team-Shirt mit allemannischem Akzent.

Das Projekt Smiling Gecko

Der Schweizer mit dem Lausbub-Lächeln lebt überwiegend in der kambodschanischen Provinz Kampong Chhnang. 2014 stellte er dort für rund 100 notleidende Menschen ein ganzheitliches Hilfsprojekt zur Selbstversorgung auf die Beine, machte es zur Stiftung und nannte diese frei nach einem Tier, das nach seiner Ansicht selbst im Kampf ums Überleben lächelt: Smiling Gecko.

Hannes Schmid schaut in einem Gewächshaus des Projekts Smiling Gecko nach den Vanille Pflanzen. (Bildquelle: Carsten Heinke)

Inzwischen ist der ebenso benannte Campus ein regelrechtes Musterdorf mit Arbeit für 285 Angestellte und 70 Auszubildende. Innerhalb weniger Jahre wuchs seine Fläche von neun auf 150 Hektar. Tausende Familien im ganzen Umland profitieren direkt oder indirekt von ihm.

Regelmäßig werden Lebensmittel an Bedürftige verschenkt. Während und noch lange nach der Covid-Pandemie, als Absatzmöglichkeiten fehlten, waren es viele Tonnen. Nach den Spenden, die noch immer auch für die Stiftung selber lebenswichtig sind, stellt Landwirtschaft die Haupteinnahmequelle dar. Darum zeigt Hannes Schmid gern seinen Gästen Felder, Gärten, Weiden, Ställe oder – wie jetzt – den Teich, wo Nilbuntbarsche aufgezogen und gemästet werden.

Der Schwimmsteg schwankt. Doch flink und sportlich eilt der 76-Jährige darüber. Sein Alter sieht man ihm nicht an. Mit Sachverstand und Stolz blickt in die Aufzuchtbecken. Dort tummeln sich zigtausend gutgenährte „Nilos“, wie Hannes Schmid die roten Fische nennt. „Rund 20 Tonnen davon produzieren wir pro Jahr“, sagt er. Und dazu kommen Rind- und Hühnerfleisch, Eier, Milch und Käse, Reis und anderes Getreide, Obst, Gemüse, Kräuter sowie neuerdings Vanille.

Hannes Schmid in einem der vielen Gewächshäuser des Projekts Smiling Gecko. (Bildquelle: Carsten Heinke)

Wer ihn so erlebt, könnte bezweifeln, dass sich Hannes Schmid erst seit neun Jahren wieder mit Agrarwirtschaft befasst. Tatsächlich wuchs der gebürtige Toggenburger in ländlichen Verhältnissen auf, war als Kind ein „Geißenpeter“, wie er selber sagt – ein Junge, der die Ziegen hütet.

Die meiste Lebenszeit verbrachte er als Künstler. Stets waren es der Zufall und die Neugierde, die ihn dabei lenkten. Für seine Werke lebte er auf Sumatra mit Orang-Utans, in Neuguinea bei den Kannibalen. Er fotografierte die Musikstars dieser Welt und machte Kunst mit Werbung.

Die Entstehung des Projekts Smiling Gecko

Wer aber brachte diesen Abenteurer dazu, sein ganzes Leben umzukrempeln, um sich für Bedürftige zu engagieren? Es war Khat Thim Waew, ein kleines Mädchen aus Kambodscha. „Es saß am Straßenrand auf einer Brücke. Als ich ihm Geld gab, sah ich: sein Gesicht und Körper waren von Brandnarben entstellt“, schildert der Mann das sehr berührende Erlebnis.

Bereits als Baby hatte man das Kind mit Säure übergossen, später an ein Bettelsyndikat verkauft. Durchaus kein Einzelfall, wie Schmid sehr bald erfuhr. Er kaufte Khat frei und übergab sie einem Waisenhaus. Dort hörte er von vielen ähnlich traurigen Schicksalen: „Die schlimmsten fand ich auf einer Müllhalde am Stadtrand von Phnom Penh. Die Menschen leben dort im Abfall und vom Abfall.“ Um ihre Situation zu begreifen und sie zu dokumentieren zu können, blieb er bei ihnen und teilte ihren Alltag für ein ganzes Jahr.

Der Anfang war mühsam und schwer

Die meisten Deponiebewohner waren ehemalige Bauern, die ihr Land verloren oder keine Mittel hatten, es zu bestellen. „So fragte ich, wer denn Verwandte hätte, die noch Land besäßen und Unterstützung bräuchten – bis wir welche fanden.“ So zogen der knapp 70-Jährige und etwa 100 Leute von der Müllhalde aufs Land. 70 Kilometer nordöstlich von Phnom Penh siedelten sie sich an, um Landwirtschaft zu betreiben. „Wir hatten weder passendes Saatgut noch geeignete Tiere. Am Anfang ging fast alles gründlich in die Hose. Doch wir lernten aus den Fehlern“, erzählt der Schweizer.

Um den Genpool unserer Schweine aufzufrischen, schmuggelte ich Ebersperma aus der Schweiz – abgefüllt in 20 Bodylotionflaschen, verpackt im Reisekoffer, eisgekühlt“, berichtet Schmid. Es klappte. Nach drei Generationen hatte man gesunde Schweine. Parallel zu Ackerbau und Tierzucht baute Smiling Gecko ein Hotel und sorgte von Beginn an für die Bildung der Kinder und Ausbildung der Jugendlichen. Der 2017 eröffnete Schul- und Kitakomplex wurde zum Mittelpunkt des Campus.

Kinder auf dem Weg in die Schule. Die Schule steht auf dem Gelände des Projekts Smiling Gecko. (Bildquelle: Carsten Heinke)

„Hello, Mister Hannes!“ ruft ein Mädchen, das mit seinen Klassenkameraden und der Lehrerin im Gänsemarsch über das Schulgelände läuft. Derzeit lernen und spielen hier knapp 400 Kinder. Mehr als 1000 sollen es in naher Zukunft sein.

„Bis zur ersten Klasse gilt das pädagogische Konzept von Montessori, das heißt soziales Lernen und die Förderung individueller Begabungen stehen im Vordergrund“, erläutert Schmid. Auch Duschen vor dem Unterricht gehört zum Tagesablauf. Das Allerwichtigste jedoch sei für die Kinder: „Sie bekommen hier täglich zwei Mahlzeiten und können dabei essen, soviel sie wollen.“

(Bildquelle: Angel Belmonte Aguirre)

Der Autor: Carsten Heinke
Der freie Autor und Fotograf Carsten Heinke ist für seine Bücher, Bilder, Reportagen und Geschichten weltweit unterwegs. Zu Hause in Leipzig und einem Dorf in Lettland, arbeitet der Globetrotter mit sächsischen und polnischen Wurzeln für Buchverlage, Magazine und Zeitungen. Er ist Mitglied des Netzwerks Die Reisejournalisten.

Zeen is a next generation WordPress theme. It’s powerful, beautifully designed and comes with everything you need to engage your visitors and increase conversions.